Myspace: Klappe zu, Affe tot?
Es ist offiziell: Myspace ist verkauft! Der bisherige Betreiber News Corp verkaufte das Netzwerk mit Mann und Maus an die Werbeagentur Specific Media. Der Kaufpreis soll dabei angeblich 35 Millionen US-Dollar betragen haben – ein Fiasko, wenn man bedenkt, dass der Mediengigant 2005 für den Einkauf von Myspacenoch 580 Millionen US-Dollar hatte zahlen müssen. Dass man sich um News Corp, zu deren Gruppe unter anderem der TV-Sender FOX, die Produktionsfirma 20th Century Fox, der Pay-TV-Sender Sky oder das Sendeformat American Idol gehören, keine Sorgen machen muss, ist die eine Seite. Dass man sich um die knapp 500 Angestellten von Myspace umso mehr Sorgen machen muss, die andere.
Für diesen Blog themenrelevant wird es, wenn man versucht, die Frage nach der Position von Myspace im Marketing-Mix zu beantworten. Kann ein soziales Netzwerk, das sich durch lange Seitenladezeiten bei seinen Nutzern ins Off manövriert hat, das mehrere Abwanderungswellen zum Klassenprimus Facebook verkraften musste und das auch nach einem umfassenden Relaunch nicht stabil wurde, die hineingesteckten Mittel rechtfertigen? Die Antwort steht natürlich noch aus, aber man kann ungefähr bestimmen, nach welchen Faktoren man sie beurteilen kann.
Die Werbeagentur Specific Media und einer ihrer Investoren, Justin Timberlake, planen anscheinend eine Fortführung der eingeschlagenen Richtung mit weiteren Features. Myspace soll, ähnlich wie Facebook, ein System für Socialized Advertisement erhalten und ansonsten zu einer Plattform zum Konsumieren von Medien ausgebaut werden. Die Aufgaben liegen für Specific Media aber noch an anderer Stelle: Die ehemaligen Benutzer der Community fühlen sich bei Facebook sehr wohl und warten gespannt auf die Öffnung von Google+. Ohne eine innovative Positionierung wird Myspace noch mehr als ohnehin zum Opfer eines übersättigten Marktes.
Als Multimedia-Community bleibt außerdem zu erwarten, ob Myspace in bekanntem Maße auf Flash als Entwicklungsumgebung bauen wird. Flash wird browserseitig abgespielt, kostet den Rechner des Users also viele Ressourcen, und führt zu langen Ladezeiten – das wiederum missfällt Google und anderen Suchmaschinen. Ein weiterer Nachteil von Flash ist, dass iPhones keine Flashapplikationen unterstützen, was dem Netzwerk im Mobile Sektor ein Fußfassen erschwert. Auch wie Myspace auf seinen medienüberfrachteten Seiten Werbung sichtbar und ansprechend platzieren möchte, bleibt abzuwarten. Das puristische Facebook hat es da einfacher. Durch seine schmale Ausrichtung auf mediale Inhalte ist außerdem erreicht worden, dass Myspace zu einem Ort „von Medienschaffenden für Medienschaffende“ geworden ist. Wie viele relevanten Konsumenten noch auf die zahllosen Werbeversuche von Künstlern reagieren wollen oder können, ist unklar. Auf der Basis eigenen Verhaltens getätigte Prognosen stimmen pessimistisch.
Zu einem vorläufigen Fazit in dieser Affäre kann man wohl destillieren: Abschied nehmen fällt schwer, aber es ist an der Zeit. Specific Media stehen vor einer Aufgabe, an der News Corp mit mehr Geld und Personal kläglich scheiterte, und haben sich damit wohl ein Eigentor geschossen. Klappe zu, Affe tot. Ob Zirkus pleite, zeigt die Zukunft.